2,5 Milliarden Sekunden (detail view), acrylic on mdf, 2011, 180 x 560cm |
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Duncan Swann: 2,5 Milliarden Sekunden
2,5 Milliarden Sekunden ist eine Wandinstallation bestehend aus schwarzweißen kleinformatigen Gemälden, nahtlos aufgereiht in Zeilen und Spalten, beinahe eine komplette Wand des Ausstellungsraumes füllend. Man sieht verschiedenste Motive und Szenen – historisierende Porträts, ein Kraftwerk, afrikanisch anmutende Masken, Raubkatzen im Dschungel, eine Männergruppe im Kanu, tanzende Comicschweinchen, die Mondlandung, Tarzan, eine Explosion, ein betrunkener Cowboy. Auf einigen Bildern sind mehrere Versatzstücke collagiert, andere sind soweit abstrahiert, dass nur mehr schwarze Farbschlieren auszumachen sind; ein paar muten historisch an, andere zeitlich entrückt, weitere sind surreal verfremdet, andere fotorealistisch. Die Gemälde erscheinen malerisch und motivisch beliebig und doch meint der Betrachter Bezüge zwischen einzelnen Darstellungen auszumachen. Mit etwas Phantasie könnte man eine Erzählung zu dem Bildergefüge entwerfen, die jedoch durch vereinzelte Sätze unter den Szenen, wie „We drank to excess“, „There were new arrivals“ oder „We invoked the spirits of our ancestors“, konterkariert wird.
Den überreichen Bilderteppich vor Augen, beginnt man diesem in Gedanken eigene Bilderinnerungen beizugeben und weitet damit das Gefüge in alle möglichen Richtungen jenseits seiner Begrenzungen aus. Der Gesamteindruck der Installation löst sich so schließlich in einer Art Gedankencollage auf, ohne dass ein Endpunkt ersichtlich wäre. Vielmehr setzt sich im Kopf eine unendliche Schleife an Eindrücken in Bewegung.
Swanns Installation ist in ihrer Form nichtsdestotrotz geschlossen. Der ausufernde Inhalt mag nichts geringeres sein als das Leben selbst – in seiner Gesamtheit oder ein Einzelleben. Verbunden damit sind individuelle und kollektive Erinnerungen, die eigene Historie oder die der Menschheit, der Anfang und das Ende sowie alles, was dazwischen liegt. Gibt es eine Narration, so ist diese keineswegs linear angelegt, sondern vielmehr zirkulär. Es scheint um die schiere Masse zu gehen, die wir von unserem beschränkten menschlichen Standpunkt aus nur in Einzelmomenten begreifen können. In diesen Einzelmomenten ist das Leben dann letztendlich ganz beschaulich und es könnte einem ein geflügeltes Wort in den Sinn kommen: „Plötzlich diese Übersicht“! Geprägt haben dies die beiden Schweizer Künstler Peter Fischli und David Weiss 1981, als sie in Zürich eine Installation aus insgesamt 250 kleinen Skulpturen aus ungebranntem Ton unterbrachten, mit der sie ein ähnlich groß gedachtes Anliegen verfolgten, nämlich das, unsere gesamte Weltgeschichte zu umreißen.
Der Drang zur Übersicht klingt auch in dem Titel 2,5 Milliarden Sekunden an, ein Verweis auf Samuel Becketts Stück „Piece of Monologue“ (1979), in dem ein alter Mann über sein vergangenes Leben sinniert. Die Dauer seiner Zeit auf Erden summiert er lakonisch auf 2,5 Milliarden Sekunden: „hard to believe so few.“
Sabine Weingartner